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Herrmann Kant und der "verordnete" Antifaschismus der DDR

Er geistert zunehmend durch Medien und Bücher, der angeblich nur „verordnete“ Antifaschismus der DDR. Ob ein Herr Harry Waibel in einem Buch, in der Aufarbeitungsliteratur diverser bundesdeutscher Ministerien (siehe die Artikel von Otto Köhler in der Jungen Welt) oder bei einer Frau Gärtner – alle teilen uns mit, dass der Antifaschismus der DDR ( da nicht wegzuleugnen) gar kein echter, sondern nur ein „verordneter“ war. Die Stoßrichtung ist dabei natürlich klar – eigentlich war die DDR gar nicht antifaschistisch, sondern tat nur so. Delegitimierung als Hauptziel – wie zu erwarten.

Begründet wird das mit realen Vorkommnissen der DDR. Die Beispiele für rassistische und faschistische Vorkommnisse werden real sein (ohne Prüfung meinerseits angenommen). Niemand – auch nicht zu Zeiten der DDR – behauptete, dass hier die faschistische Ideologie komplett verschwunden war. Nur wurden diese Einstellungen und ihre Träger konsequent bekämpft.

Bereits im Oktober 2016 verwies ich auf einen Aufsatz des Schriftstellers Herrmann Kant, in dem er sich mit spitzer Feder zum Thema äußerte („Wie ich zum Antifaschismus gezwungen wurde“, veröffentlicht 1993):

Aber vielleicht war ich zu empfindlich. Ließ mich beeindrucken von Büchern, die „Nackt unter Wölfen“ hießen oder „Das siebte Kreuz“, von Filmen mit harmlosen Titeln wie „Die Verlobte“ und „Mama, ich lebe“. Ließ mich bedrängen vom rücksichtslosen Cremer und vom einschneidenden Busch. Oder von Brecht & Co. Ließ mir deren Antifaschismus andrehen und übersah, daß Verlage und Plattenpressen, Filmfabriken wie Bühnenbretter dem Staat gehörten und somit nur Mittel zu dessen antifaschistischen Zwecken waren.

Auch ist in Anschlag zu bringen, daß dieser Staat beim Verordnen auf eine gewisse Stimmigkeit zwischen seinen Behauptungen und meinem Erleben achtete. Den Krieg beschrieb er, wie ich ihn kannte. Und was er vom faschistischen Frieden wußte, wußte ich längst. Mir hat der Staub von Warschaus Ghetto bis an die Knöchel gereicht. Ich zog in Hütten ein, deren Vorbewohner nach Majdanek verzogen waren. Weil es sich ans ganze Deutschland nicht halten konnte, hielt sich Polen an mich als einen Teil davon. Da mußte mir später das halbe Deutschland nicht mit Verordnungen kommen. Da soll man mir von verordnetem Antifaschismus so wenig wie von verordnetem Atmen reden. Oder von unserer Geschichte, wie mancher sie möchte. Sie fand als Antwort auf Geschichte statt und war schon deshalb nicht gänzlich ohne Sinn.

Hermann Kant (1993)

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