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Alle Jahre wieder – Stasibehörde

„Zwischen den Jahren“ wie die gesamtdeutsche Öffentlichkeit so falsch wie einprägsam die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr nennt, meldet sich die nach ihrem ersten Chef benannte Stasibehörde zu Wort. Diese Mal ist es der aktuelle oberste Stasijäger himself der verlangt, dass die beim MfS Promovierten ihrem erworbenen Doktortitel den Zusatz „Stasi“ hinzufügen sollen. Abgesehen von der Sinnhaftigkeit – selbst der letzte Doktorand verteidigte seine Doktorarbeit vor 30 Jahren und dürfte inzwischen das Rentenalter erreicht haben – geht es nebenbei um die Aushebelung des deutschen Namensrechtes und eine Revision des Einigungsvertrages. Ich nehme an der Vorschlag ist ohnehin nicht ernst gemeint. Vielmehr geht es wohl darum sich wieder einmal in Erinnerung zu bringen, den eigentlichen Auftrag erfüllen und nebenher die DDR wieder einmal zu bashen.

Herr Jahn (ich konnte mit dem Namen erst nach einigem Nachdenken überhaupt etwas anfangen) hat sich in Erinnerung gebracht und seine Stasibehörde gleich mit. Obwohl der Vorschlag aus Sicht der selbt ernannten Kämpfer für Demokratie und Menschenrechte wohl einiges für sich hat, ließe er sich doch beliebig erweitern. Ich könnte mir vorstellen, alle in der DDR erworbenen akademischen Grade und Abschlüsse entsprechend zu „kennzeichnen“. Mein bei der Ausbildung zum Offizier der Grenztruppen erworbener Titel „Hochschul-Ingenieur-Ökonom“ (den ich nicht führe) bekäme durch den Zusatz „DDR – Mauerschütze“ doch gleich einen anderen Klang und jeder der meine Agenda in die Finger, besser zu lesen kriegt, wüsste über mich sofort umfassend Bescheid. Sicher gibt es hier noch einiges zu feilen, aber welch herrliches Instrument bekämen all die kleinen und großen DDR-Hasser in die Hand.

Seit einigen Wochen lese ich wieder sehr viel und nach Überwindung einer persönlichen Hemmschwelle auch wieder einmal (Auto)Biographien. Einen tiefen Eindruck hinterlässt immer mehr Eberhard Esche. Der Schauspieler – neben seinem „Der Hase im Rausch“ besonders in der Rolle des Rates Hennicke in „Sachsens Glanz und Preußens Gloria“ brillierend – gibt tiefen Einblick in seine Biographie und seine Weltsicht. Zum Thema Stasi äußert er sich mehrfach.

Divide et impera. Teile und herrsche. Sowohl im Osten als auch im Westen das verderbliche Mißtrauen zwischen den Menschen säen. Welch wohltuende Alltagsbeschäftigung konnten nun die Menschen finden, da sie auf den erlösenden Gedanken gelenkt wurden, ob ihr Nachbar oder Freund oder Ehegatte oder ein beliebiger Fremder bei der Stasi war oder nicht. Oder wenn ein westdeutscher Bürger einen ostdeutschen trifft, ist da nicht sein erster Gedanke: Na, ob der nicht? Was für ein grandioser Beitrag zur deutschen Einheit! Es ist die Art der neuen Herren, die Geschichte Deutschlands mindestens seit der Naziherrschaft, deren Rechtsnachfolger sie ja sind, weiter falsch zu schreiben …

Hätten sie besser mit einem sauberen Messer unsere gemeinsame Nazierbschaft operiert? Das konnten sie nicht, denn dann hätten sie eine Änderung der Besitzverhältnisse im Ernste betreiben müssen.

„Wer sich grün macht den fressen die Ziegen“ Eberhard Esche, Autobiographische Geschichten, S. 366f, ISBN 978-3-95841-063-3

2 thoughts on “Alle Jahre wieder – Stasibehörde

  1. Meine These ist: „Sieger machen Geschichte“. Jetzt hatte ich genau nach dieser These im Web gesucht und wurde auch gleich fündig. In einem Beitrag in der ‚Süddeutschen‘ (glaube ich), hatte sich ein Redakteur darüber echauffiert, dass es ‚Auffassungen in der Gesellschaft‘, insbesondere ehemaliger DDR Bürger, dieser Art gibt. Angeblich sei doch alles ‚belegbar‘, etc. Meine Erfahrungen/Beobachtungen waren/sind leider so, dass das ’nachfolgende politische System‘ Dinge darstellte wie es am besten ins ‚eigene Konzept‘ passte. Damit meine ich nicht einmal, dass Fakten bewusst falsch dargestellt wurden/werden. Es geht schon damit los, dass über Einiges gar nicht gesprochen wird oder Fakten einfach weggelassen werden. Somit entstehen ‚Gesamtbilder‘ die ins eigene Gesamtkonzept passen bzw. der eigenen ‚Befangenheit‘ zuträglich sind. Die Menschen in Ost und West sind gar nicht so unterschiedlich wie einige denken bzw. es sich wünschen…. manchmal auch herbei reden… Egal was gerade ‚auf der Fahne stand bzw. steht’…. Es gab/gibt immer Menschen die gerne denunzieren… egal ob aus falsch verstandenen Patriotismus (Pflichten als Bürger)…. oder aus Gier (weil sie sich Vorteile erhoffen)…. oder weil sie ihren Nachbar einfach nicht leiden können…. oder einfach weil sie naiv sind…. Das heißt aber nicht, dass es grundsätzlich nicht Personen oder Handlungen gibt die man nicht zur Anzeige bringen sollte um z.B. Gefahren für Andere abzuwenden etc. Wenn es nach einigen ‚Betonköpfen mit immer noch verhärteten Feindbildern im Kopf‘ aus den alten Bundesländern geht, gab es in der DDR nur Täter und Opfer. Wird was positives erzählt, war man gleich ein Täter bzw. will gleich DDR 2.0. Nach 30 Jahren Mauerfall, waren ja die Medien voll von dem ‚Gedenken‘ daran. Vielleicht sollte ich in dem Zusammenhang mal meine ‚Lieblingsfragen der Moderatoren/Journalisten‘ in dem Zusammenhang posten… Meiner Meinung nach, werden leider auch zu oft einfach die falschen Fragen gestellt bzw. einige gar nicht. Und schon sind wir wieder beim Ausgangsthema: „Sieger machen Geschichte“…

  2. Noch als Ergänzung…. Nicht das ein falscher Eindruck entsteht…. Es gibt viele Dinge die ich in der ehemaligen DDR mehr als kritisch betrachte. Auch viele Dinge die mich echt wütend machen. Als auch Dinge die auf Unverständnis stoßen. Nur Betrachtungsweisen die auf ‚Schwarz/Weiß-Denken‘ abzielen…. „Damals ALLES schlecht – heute ALLES toll“ …. Damit habe ich ein echtes Problem. „Und, Mitbürger aus den alten Bundesländern, erklärt mir bitte nicht, wie ich damals gelebt habe!!“ ‚Wir‘ kennen beide Systeme aus der eigenen Erfahrung und wissen somit auch, dass nicht alles Quatsch war, was einem erzählt wurde. Wenn ihr was nicht wisst, dann fragt gefälligst und stempelt nicht ab! Habe ich aber auch bereits erlebt. Und selbst als Bürger der beide Systeme erlebt hat bzw. erlebt kann nie für Alle sprechen. Auch nicht für alle ehemaligen DDR Bürger. Das wäre schlicht weg: Anmaßung! Warum nehmen sich also so viele BRD Bürger dieses ‚Recht‘ heraus? Bundesdeutsche Arroganz? Ich lasse das mal als These so stehen….

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